Vom Leben und vom Sterben

Ich denke, es ist an der Zeit sich über den Begriff «Leben» einmal Gedanken zu machen. Der Anlass dazu ist die aktuelle medizinische Situation in der Gesamtbevölkerung, ausgelöst durch die Coronapandemie.
Beschäftigen wir uns also einmal mit dem Begriff Leben? Was ist dies überhaupt?
In unserem materialistisch-naturwissenschaftlichen Weltbild wird Leben wie folgt definiert. Es gibt sieben biologische Anzeichen von Leben, ob etwas lebendig oder unbelebt ist.

LEBEN

  1. Organisation: es gibt also spezialisierte Teile mit ganz spezifischen Funktionen -> Organe
  2. Stoffwechsel -> Verdauung
  3. Homöostase -> Selbstregulation des zum Leben nötigen Milieus
  4. Wachstum
  5. Fortpflanzung
  6. Reizbarkeit -> Sinneswahrnehmung und Reaktion darauf
  7. Evolution -> Vererbung

Gibt es neben dieser materiellen Deutung des Begriffs «Leben» noch andere Deutungen?
Ja, gibt es, wir sprechen im Alltagssprachgebrauch ganz selbstverständlich von «sozialem Leben» vom «kulturellen Leben» vom «Familienleben» oder vom «Berufsleben»
In unserer Menschlichkeit erfahren wir Leben also viel mehr, als die reinen materiell-biologischen Funktionen.

Tod
Der Tod wird im Umkehrschluss als Abwesenheit der obigen Merkmale verstanden. Tot ist, wenn diese biologischen Vorgänge weitestgehend erloschen sind.
Es wird unterschieden in:

  1. Klinischer Tod: Er tritt mit dem Aufhören von Atmung und Herzschlag mit der Option einer Reanimation innerhalb der ersten Minuten ein.
  2. Hirntod bzw. Individualtod: Er tritt ein, wenn alle Hirnfunktionen irreversibel ausgefallen sind, es mit medizinischen Apparaten jedoch gelingt, die Herz-Kreislauf- und Lungenfunktion langfristig aufrechtzuerhalten. Der Hirntod wird durch den Organtod des Gehirns terminiert und ist damit identisch mit dem Tod des Individuums (Individualtod).
  3. Biologischer Tod: Er tritt ein, nachdem alle Organ- und Zellfunktionen irreversibel erloschen sind. Als Folge kommt es zu Totenflecken und Leichenstarre.

Auch dies ist wiederum eine Definition die rein medizinisch erfolgt. Was meint da unser alltäglicher Sprachgebrauch dazu. Auch da sprechen wir von einem «sozialen Tod» und wir können «Rufmord» begehen um jemanden «sozial tot» zu machen, oder wir können uns innerlich «tot fühlen»
In unserer Menschlichkeit erfahren wir den Tod also auch viel differenzierter als nur auf der körperlichen Ebene.

Gerne möchte ich einen Diskurs starten, gerne möchte ich zum Denken anregen, wie wir in der aktuellen Situation mit dem Leben und mit dem Sterben umgehen.
Zurzeit wird versucht Leben zu retten, indem das soziale Leben eingeschränkt (getötet) wird. Zurzeit wird versucht Leben zu retten, und dabei nimmt man den beruflichen Tod vieler anderer in Kauf.
Was bedeutet also Leben für uns? Geht es hier um das nachte physische Überleben, muss sich alles dem nackten Überleben unterordnen? Wo bleibt da die Menschlichkeit?
Ich höre gerade viel, dass es unmenschlich ist, ethisch nicht vertretbar ist, keinen Lockdown zu machen um all diese Leben zu schützen. Ja welches Leben wird geschützt? Aus dieser Perspektive wird das rein physische Leben übergewichtet und dem absoluten Schutz unterstellt, während das soziale Leben, das Berufsleben, das kulturelle Leben sich dem Schutz des physischen Lebens unterordnen muss.
Dies interpretiere ich als ein krasse Missbeziehung von uns als Gesellschaft zum Leben und zum Sterben; zum Tod. Durch das jahrzehnte-, wenn nicht jahrhunderte- lange Verdrängen des Todes, sind wir innerlich alle in der Angst vor dem Tod und vor dem Verlust eines anderen Menschen gefangen. Diese unbewusste und kollektive Verdrängte Tatsache des Lebens kommt nun an die Oberfläche und fordert uns auf den Begriff des Lebens und Sterbens neu zu überdenken.
Unser Umgang mit dem Sterben und dem Tod ist nicht die einzige Möglichkeit und wahrscheinlich nicht die Beste.


Um einen anderen Umgang zu finden, braucht es eine Wertediskussion. Die aktuelle Situation würde es uns eigentlich ermöglichen, diesen Diskurs aufzugreifen. Ich wünsche mir, dass wir darüber diskutieren und als Gemeinschaft neue Werte und Einstellungen zum Leben und Sterben finden können.

 

  • Ist es menschlich, einen Körper um jeden Preis am Leben zu erhalten (Komapatienten)?
  • Ist es menschlich, einen Menschen der klinisch tot ist, zurückzuholen im Wissen, dass er ein schwerstbehinderter Pflegefall sein wird, dass vielleicht sogar Teile seiner Persönlichkeit erloschen sind?

Oder geht es bei diesen zwei Beispielen um das eigene Ego der Angehörigen, die nicht loslassen können?

 

  • Ist es menschlich alte Menschen sozial zu isolieren (sozial zu töten), um ihr physisches Überleben zu sichern?
  • Ist es menschlich in der reichen westlichen Welt einen wirtschaftlichen Lockdown durchzuführen um unser physisches Leben zu schützen und dafür in der abhängigen Welt der Schwellen- und Entwicklungsländer den Tourismus und die Exportwirtschaft zum erliegen zu bringen und dort Menschen in Staaten ohne soziale Wohlfahrt in den beruflichen Tod oder auch in den Hungertod zu treiben?

Oder geht es hier nur um die eigene Angst vor der eigenen Endlichkeit, die wir nicht sehen wollen, weder an uns selbst, noch an unseren Eltern und Angehörigen?

 

Ganz ehrlich, ich habe auf diese Fragen auch keine Antworten. Aber ich habe die Fragen und wenn ich so die Leserkommentare auf den Newsportalen studiere, scheint mir, niemand sonst stellt diese Fragen. Wieso? Darf man diese Fragen nicht stellen? Wenn man diese Fragen nicht stellen darf, dann sind wir wieder ganz am Anfang bei der Verdrängung des Todes. Ich verrate dir jetzt mal etwas.

 

Das Leben ist lebensgefährlich und zu 100% tödlich.

 

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3 Kommentare
Claudia M. Gassmann aus Glattfelden schreibt am 17.12.2020 08:18 Uhr
Lieber Andreas,
Mit deinen treffenden Worten sprichst Du mir aus dem Herzen - vielen Dank, dass Du das Thema beim Namen nennst. Du bringst es auf den Punkt.
Physisches Leben alleine darf nicht überbewertet weden. Lebensqualität,
Lebenswertigkeit und Lebenslust verdienen ebenso einen gewichtigen Stellenwert und sollte wert sein, diese zu erhalten und zu schützen.
Wenn durch all die strikten Massnahmen,
Einschränkungen und Regeln unser intaktes soziales Leben gebremst wird, begünstigt, ja unterstützt dies eine Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit geradezu.

Claudia M. Gassmann aus Glattfelden schreibt am 17.12.2020 08:27 Uhr
Korrektur:

....Wenn durch all die Massnahmen, Einschränkungen und Regeln unser intaktes soziales Leben gebremst wird, begünstigt, ja unterstützt dies das Wegschauen von der Auseinandersetztung mit der eigenen Endlichkeit geradezu.

Claudia M. Gassmann aus Glattfelden schreibt am 17.12.2020 08:27 Uhr
Korrektur:

....Wenn durch all die Massnahmen, Einschränkungen und Regeln unser intaktes soziales Leben gebremst wird, begünstigt, ja unterstützt dies das Wegschauen von der Auseinandersetztung mit der eigenen Endlichkeit geradezu.



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